Selbständige Lebensführung
Über alle Stufen hinweg wird die Erziehung zur Selbständigkeit an den Möglichkeiten und Voraussetzungen eines Schülers ausgerichtet. Die unterrichtliche Arbeit legt ihren Schwerpunkt auf die zunehmend selbständige Organisation und Durchführung von Arbeitsaufgaben und –abläufen. Hierzu werden verschiedene, individuell ausgerichtete Strukturierungshilfen angeboten (z.B. Bildmaterialien, Fotos, schriftliche Anweisungen). Durch Handlungserfahrungen lernen die SchülerInnen die Gliederung und Durchführung von Arbeitsaufgaben. Eigenständiges Handeln zeigt sich bei unseren SchülerInnen in einer großen Bandbreite.
Der Fokus der unterrichtlichen Tätigkeit in der Grundstufe liegt auf der basalen Förderung. Bei allen Unterrichtsinhalten wird das Prinzip der abnehmenden bzw. zurücknehmenden Hilfe angewandt. Unterrichtsinhalte werden durch visuelle, verbale und räumlich/organisatorische Hilfen so vorstrukturiert, dass die Schüler sie möglichst selbständig erarbeiten und einüben können. Die weitere sensomotorische Entwicklung, die Vertiefung lebenspraktischer und kulturtechnischer Kenntnisse, Erwerb angemessenen Sozialverhaltens und die Ausdifferenzierung kommunikativer Fähigkeiten führen zusätzlich zur Stärkung des Zutrauens in die eigene Person und damit der Möglichkeiten die Welt selbständig zu erleben. Schüler sollen von Fremdbestätigung unabhängig werden durch angeleitetes Tun, Hilfestellung durch Lehrer oder Schüler, körperliche Stütze, selbständige Spiele und Arbeitsformen, Botengänge und indem sie zu Entscheidungen ermutigt werden - trotz möglicher Fehler. So lernen sie zu erkennen und bewerten, was ihnen gelungen ist und was nicht.
In der Grundstufe werden Schüler hinsichtlich der Selbständigkeit u.a. zu folgenden Kompetenzen hingeführt:
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Zurechtfinden im Schulhaus und Schulalltag,
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Erkennen und Ordnen des eigenen Platzes, Faches, Tasche, Kleidung,
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Fähigkeit zum eigenen An- und Auskleiden,
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angemessene Nahrungsaufnahme u.a. mit Messer und Gabel,
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selbständiges Benutzen der Toilette, Händewaschen, Zahnpflege, Mitteilungsfähigkeit gegenüber Mitschülern und Lehrern
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Fähigkeit Botschaften auszurichten.
In der Hauptstufe besteht die Erziehung zur Selbständigkeit in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kulturtechniken, Kommunikation und eigene Interessen. Alle Bereiche weisen Überschneidungen auf. Wer selbständig öffentliche Verkehrsmittel nutzen möchte, muss die Uhr kennen und Fahrpläne lesen können. Wer sich eigenverantwortlich etwas zu Essen zubereiten möchte, muss den Weg zum Laden bewältigen können, Rezepte lesen, und mit Kochutensilien hantieren können. Daher gehört regelmäßiger Unterricht in leistungs-homogenen Gruppen ebenso zum Curriculum der Hauptstufen, wie die Unternehmungen im öffentlichen Raum. Die Schüler verbessern ihre selbständige Orientierung zu Fuß, mit Fahrrad und öffentlichem Nahverkehr. Die Lerngänge orientieren sich dabei an den Unterrichtsinhalten. So laufen und fahren die Klassen zum Einkaufen für den Kochunterricht, Bücherei, Museen u.a. Dabei üben Sie gleichzeitig angemessenes Verhalten in der Öffentlichkeit, um Hilfe bitten, Fahrkarten lösen, öffentliche Toiletten benutzen und Pünktlichkeit. Im Kochunterricht entstehen mehrgängige Gerichte, die dem Geschmack der Schüler entsprechen und Aspekte der gesunden Ernährung berücksichtigen. Die Schüler erhalten Gelegenheit eigenen Interessen nachzugehen und zu vertiefen. Im AG-Unterricht wählen die Schüler aus handwerklichen, musischen und sportlichen Angeboten aus und vertiefen ihr Können in diesem Bereich. Auch können sie sich in der Fußball-AG, in Kunstausstellungen oder in der Musik-Kooperation als jemand erleben, der eigene Interessen und Fähigkeiten hat. Auch während der jährlich stattfindenden Projektwoche der HI können die Schüler aus vielfältigen Angeboten (z.B. Wandern Klettern, Fahrrad fahren, Theater spielen, Glasmalerei) auswählen. Die Schüler erhalten Anregungen, sinnvolle Freizeitaktivitäten außerhalb des Unterrichts zu finden und erhalten Unterstützung bei der Umsetzung. Die Erziehung zur Selbständigkeit mündet so z.B. darin, dass Schüler am Nachmittag oder Wochenende selbständig mit Bus und Bahn in die Stadt fahren zum Einkaufen, ohne zusätzliche Belastung der Eltern am Angebot des Sportvereins teilnehmen oder vom Schülertransport abgemeldet werden können um mit ÖPNV eigenständig zur Schule zu fahren.
In der Berufsschulstufe verändert sich der Lernort Schule in Richtung zunehmender Eigenverantwortung und Selbständigkeit der jungen Menschen auf dem Weg in das Arbeitsleben und hin zu einer möglichst selbstbestimmten Lebensgestaltung. In projektorientiertem und erwachsenengemäßem Unterricht lernen die Schüler bei intensiver Kooperation mit unterschiedlichen Partnern auf unterschiedlichsten Ebenen und Formen. In verschiedenen Schülerfirmen und Arbeitsprojekten erwerben und trainieren die Schüler Fähigkeiten, die sie bei einer praktischen Arbeit benötigen. Dazu gehören Vor- und Nachbereitung des Arbeitsplatzes, Einkauf und Abrechnung von Arbeitsutensilien und Serviceleistungen, zeitnahe Erledigung von Aufträgen, Kommunikation mit Auftraggebern und Kunden, eigenständiges Erscheinen an Arbeitsorten außerhalb von Schule und Unterrichtszeit und genaues und sauberes Arbeiten. Mit dem erwirtschafteten Geld belohnen sich die Schüler durch ausgedehnte Klassenreisen in teilweise entfernte europäische Länder. Die verschiedenen Arbeitsprojekte sind vielseitig und decken unterschiedliche berufliche Bereiche ab (Gastronomie, Handwerk, Landwirtschaft, Dienstleistung). Dies ermöglicht den Schülerinnen, eigene Interessen und Neigungen zu finden oder zu entwickeln und aufgrund dieser Erfahrungen nach passenden Praktikumsplätzen zu suchen. Die Bewährung der Schüler innerhalb der Schülerfirmen ermöglicht die Suche nach passenden Praktikumsbetrieben. Diese finden sich bspw. im Bereich Gärtnerei, Tierheim, Bauhof, Sanitärbetrieb, Kindergarten, Wäscherei, Altenpflege, Frisör, Küche, Weinbau, Einzelhandel, Fahrradwerkstatt, Post und Metzgerei. Hier sind wir auf die Kooperation mit der freien Wirtschaft ebenso wie auf das Engagement der Eltern und Lehrer angewiesen. Die Schüler haben auch die Möglichkeit in beschützten Werkstätten ein Praktikum zu machen um dann für die Zeit nach der Schule eine gut informierte Entscheidung zu treffen. Auch schulintern werden Praktika gemacht, bspw. in der Küche, bei der Versorgung der Schulwäsche, bei der Betreuung jüngerer Schüler sowie der Mithilfe bei Reinigungskräften und Hausmeister.
Allen Einsatzorten, Unterrichtsvorhaben und Projekten in der Berufsschulstufe ist gemeinsam, dass sie Gelegenheit bieten, erlernte Fähigkeiten im Sinnzusammenhang anzuwenden und sich in zunehmend komplexeren Situationen zu orientieren. In jährlich stattfindenden Berufswegekonferenzen evaluieren Schüler, Eltern und Lehrer gemeinsam mit dem Reha-Berater der Arbeitsagentur, eventuell dem Begleiter aus dem Praktikumsbetrieb und dem Integrationsfachdienst Lernstand, berufliche Kompetenzen und mögliche Perspektiven in diesem Bereich.
Die selbstbestimmte Lebensgestaltung umfasst zusätzlich zur Arbeit die Bereiche Freizeit und Wohnen. Indem die Schüler diese Bereiche des Alltages selbständig bewältigen, wird ihr Selbstwertgefühl gesteigert, ihre Lebensqualität erhöht und die Integration in die Gesellschaft erleichtert. Um Verselbständigung zu ermöglichen und zu erreichen geht man davon aus, dass die dazu notwendigen Fähigkeiten bestmöglich in einer „normalen“ Umgebung erworben werden können. Das Training des eigenständigen Wohnens hat unter anderem folgende Themen zum Inhalt: Kleiderpflege, Hygiene, Wohnungspflege, Benutzung von Elektrogeräten, Zubereitung von Essen, Öffentliche Verkehrsmittel, Orientierung in der Umgebung, Freizeitmöglichkeiten und –gestaltung, Verhalten in besonderen Situationen.
In der schuleigenen Trainingswohnung, in der Emmendinger Innenstadt üben die Schüler die Fähigkeiten, die für die zunehmende Selbständigkeit nötig sind. Diese Normalität erweitert den geschützten Rahmen der Schule, wo Selbstversorgung, Einkauf, Mobilität und Freizeitgestaltung noch unter stärkerer Anleitung durch Lehrkräfte angeboten werden. Außerdem lernen sie unterschiedliche Freizeitmöglichkeiten kennen. In der Trainingswohnung können die Schüler die Kombination Trainingswohnen, Mobilitätstraining, Kennenlernen unterschiedlicher Freizeitmöglichkeiten gemeinsam mit der Eigenverantwortung zum täglichen Schul/Praktikumsbesuch einüben. Auch die regelmäßige Fahrt in ein Landschulheim gibt den Schülern Gelegenheit sich als selbständiger zu erleben und zu zeigen, als es im heimischen Alltag geschieht. Die Schüler erzielen hier soviel Selbständigkeit wie möglich bei Gewährleistung der nötigen Unterstützung. Dies erfordert eine enge Kooperation mit den Elternhäusern der Jugendlichen, die frühzeitig an die Thematik des Loslassens herangeführt werden müssen. In vielen Gesprächen begleiten wir die Eltern hinsichtlich der Thematik Selbständigkeit und überzeugen sie davon, dass ihre Kinder in den beschriebenen Bereichen zu höherer Selbständigkeit geführt werden können, als es die Eltern ihnen zuweilen zutrauen. Dies ist ein gemeinsamer Prozess, dessen Gelingen stark von der engen Kooperation zwischen Schule und Elternhaus abhängt.